Grenzen und Limburg
Grenzzieher und Grenzüberschreiter
Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass die Kartographie hilft, geografische Räume anschaulich zu machen, Stadtgrundrisse und Befestigungsanlagen abzubilden, das Relief einer Landschaft wiederzugeben. Damit eignet sie sich hervorragend für militärische Zwecke und die Gelder für aufwändige Kartierungsarbeiten kommen gewöhnlich nicht aus Wohltätigkeitsfonds …
Es vereint unsere Nachbarn mit uns, dass beiderseits der Maas die gleichen Kartographen mit den gleichen Aufgabenstellungen unterwegs waren in Zeiten, in denen wir alle von den gleichen Herrschern hin- oder hergeschoben oder vereint oder wieder getrennt wurden.
Damit kommen wir schließlich also noch
zu denen, die entsprechende Aufträge erteilten,
zu denen, die die Grenzen ziehen und
zu denen, die sie überschreiten…
Hier eine kleine Auswahl von Grenzziehern globaler Größenordnungen:
Papst Alexander VI.
Er teilte die Erde im Jahr 1493 in zwei Hälften. Das tat er, ohne den Rest der Welt zu fragen mit einem kühnen Strich auf einer damals noch sehr ungenauen Landkarte zur Aufteilung eines damals noch ziemlich unbekannten Teils der Welt.
Der Mann und seine Bedeutung für die Zeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_VI.#Wirken
Der kühne Aufteilungsvertrag:https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Tordesillas#Die_Vereinbarung
Seine Vertragspartner waren die Könige Spaniens und Portugals. Nach ein paar kleineren Änderungen, einer Verschiebung der Grenze um ein paar hundert Kilometern weiter nach Westen, lief die Grenzlinie etwa bei 46°Grad 57` westl. Breite vom Nordpol zum Südpol.
Alles Land und Meer westlich davon wartete darauf, von Spanien kolonial genutzt zu werden, alles östlich davon wurde Portugal zur Nutzung überlassen.
Die eigentliche Grenzdefinition ging übrigens aus von einer Anzahl von Leguas (ein damaliges Längenmaß) als Abstand von den Kapverdischen Inseln. Sie machte keinen Unterschied zwischen Meer und Land und die vorhandenen geografischen Gegebenheiten (Flüsse, Gebirge etc.) waren genauso unwichtig wie die Schicksale, Lebens- und/oder Eigentumsverhältnisse dort lebender Völker.
Cornelis van Bynkershoek
Der niederländische Rechtsgelehrte veröffentlichte im Jahr 1702 sein Werk: de dominio maris (Zur Herrschaft über die Meere). https://de.wikipedia.org/wiki/Cornelis_van_Bynkershoek
Darin vertrat er die Meinung, dass es notwendig ist, die Durchsetzbarkeit von territorialen Rechten auf See zu gewährleisten, damit ein territorialer Anspruch überhaupt erfolgreich sein kann. Diese Durchsetzbarkeit war abhängig von den auf dem Festland zur Verfügung stehenden Waffen. So einigten sich alle Interessensparteien auf die Reichweite eines Kanonenschusses. Man legte zugrunde, dass ein Kanonenschuss im Abstand von drei Seemeilen die Grenze seiner Wirkung erreichte.
Damit entstand die jahrhundertelang gültige Dreimeilenzone als Grenze von Küstengewässer, in denen die territorialen Rechte des zugehörigen Staates auf dem Festland galten. Der Abstand betrug 3 sm x 1,852 km/sm, also 5,556 km. (Diese Kanonenschuss-Entfernung wird übrigens im Beitrag „Grenzen und Limburg“ wieder begegnen.)
Lesen Sie zu Hoheitsgewässern in Niederländisch unter https://nl.wikipedia.org/wiki/Territoriale_wateren#Historisch
und in deutscher Sprache genauer unter https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCstenmeer#Drei-Meilen-Zone.
Die Vereinten Nationen
Heutzutage gelten die von den Vereinten Nationen festgelegten seerechtlichen Zonen. Die Dreimeilenzone gehört der Vergangenheit an, jedes betroffene Land kann ein Hoheitsgewässer von bis zu 12 Seemeilen (sm) festlegen. Daran grenzt die Anschlusszone, die 12 sm weit reicht. Die Ausschließliche Wirtschaftszone reicht bis 200 sm in die Meere hinein.
Alle internationalen Diskussionen um die Nutzung von Bodenschätzen in den Weltmeeren lesen Sie bitte bei Wikipedia unter Territoriale wateren (Territoriale Gewässer) und/oder Küstenmeer.
Bei den beiden letztgenannten Vereinbarungen geht es um die blaue Grenze, die Grenze eines Landes mit dem Meer. Das niederländische Verteidigungsministerium gibt detailliert Auskunft über seine Meeresgrenzen unter https://www.defensie.nl/onderwerpen/hydrografie/inhoud/maritieme-zones-en-zeegrenzen/nederlandse-grenzen-op-de-noordzee.
Der Schengen-Raum hat übrigens eine Seegrenze von mehr als 42.000 km Länge.
https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/e-library/docs/schengen_brochure/schengen_brochure_dr3111126_de.pdf
(Anm. d. Red. 22.0.21: Datei nur noch via web.archive.org zu erreichen)
Da Limburg keine Küstengewässer hat (weil es ja nicht `Holland` ist) könnte man auf diese Infos vielleicht verzichten. Was Schiffe in fremden Hoheitsgewässern dürfen und was nicht und was das `Recht auf freie Durchfahrt` ist lesen Sie deshalb bitte selbst nach.
Allerdings gelten für die Grenze der Hoheitsgewässer und die Grenze des L u f t r a u m s teilweise die gleichen Spielregeln – und da bekommt Limburgs innereuropäisch zentrale Lage natürlich eine ganz andere Bedeutung. Für den Luftraum gilt allerdings kein Recht auf freien Durchflug sondern ein kompliziertes Regelwerk.
Die Kolonialmächte
Wir sind wieder an Land und wieder bei den großen Strichen auf Landkarten.
Ethnische Zugehörigkeiten spielten bei den Grenzen der Kolonialreiche keine Rolle.
Bei der Dekolonisation auch nicht! Dazu lesen Sie bitte https://de.wikipedia.org/wiki/Dekolonisation.
Willkürliche Grenzziehungen und weltweite Konflikte ergeben eine tödliche Verbindung, zu deren Opfer die Flüchtlinge zählen, die jetzt vor den Außengrenzen der EU drängen und Hilfe suchen.
Schauen Sie bitte mal nach unter https://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen, damit Sie über die genialen Linien nachdenken können, die die ehemaligen Kolonalmächte zu Beginn des 20.Jhdt. durch den Nahen Osten gezogen haben. Die waren kleinräumiger als die von Papst Alexander VI, keineswegs aber weise oder vorausschauend, wie wir hautnah erfahren müssen.
Jetzt sind wir wieder froh, dass die niederländisch-deutsche innereuropäische Grenze von ganz anderer Art ist und dass wir uns ihr straflos mit so viel Interesse nähern dürfen, ja sogar willkommen geheißen werden.
… aber …
wo Grenzen sind, sind auch die Grenzüberschreiter jeglicher Art nicht weit. (Googeln Sie bitte dieses Stichwort und Sie treffen auf Buchempfehlungen, deren Lektüre Sie bis ans Ende Ihres Lebens beschäftigt halten wird.)
In unserer langen gemeinsamen nachbarschaftlichen Vergangenheit gab es zwischen Maas und Niederrhein viele Herren und viele immer neu gezogene territorialen Grenzen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die letzte, entsetzliche Grenzverletzung im Land des hemelse modder die nazideutsche Invasion im Jahr 1940 war. Auch dazu werden wir an anderer Stelle mehr berichten.
Ganz sicher haben wir inzwischen verstanden,
dass Grenzen
nicht nur
gedacht/errichtet/gezogen/verteidigt/gewünscht
sondern auch
verletzt/überschritten/niedergerissen/missbraucht
werden
Wir leihen uns einige Sätze, die uns zum Nachdenken verhelfen bei der Frage:
Wie verhalte ich mich eigentlich selbst …
… wenn es a l l g e m e i n um Grenzen geht?
… wenn es um unsere innereuropäisch-formale Grenzabwesenheit i n s g e s a m t geht
… wenn es ganz konkret um die Gegend geht, in der das Land u n s e r e r Nachbarn und des hemelse modder beginnt?
Weitere Beiträge der Serie finden Sie unter:
Grenzen um Limburg
Grenzen in Limburgs Süden
Grenzen um Limburgs Westen – in Arbeit
Grenzen in Limburgs Norden – in Arbeit
Grenzen in Limburgs Osten – in Arbeit
Kommentare
Grenzen und Limburg — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>