Grenzen und Limburg
Von Grenzen jeglicher Art
Die innereuropäische Traum-Grenze
Für den Einstieg ins Thema Limburg und Grenzen haben wir uns erst einmal beispielhaft
ein Bild gemacht von
dieser
limburgisch/niederländisch-deutschen, innereuropäischen Staatengrenze
…
und zwar ganz konkret von derjenigen
zwischen Vlodrop (Gemeente Roerdalen) und Effeld (Wassenberg).
Sie hat alles, was man sich in unseren Tagen unter einer Grenze kaum noch vorstellen kann:
eine noch vorhandene Schranke, die manchmal offen ist,
aber auch in geschlossenem Zustand Platz zum Durchkommen lässt
und
einen gut gepflegten (nicht verschwundenen :o)) ) weißköpfigen Grenzstein (Nr. 372 übrigens …).
Sie ist fast so innereuropäisch, wie man es sich wünscht:
quasi außer Funktion,
eher verbindend als trennend
und
sie kommt seit den Verträgen von Schengen (1985) (https://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Abkommen),
den zugehörigen Durchführungsabkommen (1993) und schließlich auch in der Realität
ohne Kontrollen für Personen und/oder Waren aus.
Ganz ehrlich? Ein echter, kontrollierter Grenzübergang war sie ohnehin nicht!
An dieser Stelle war sie früher und ist sie heute eine verlockend grüne Grenze
(https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Grenze)
–
aber das hatte früher mal eine ganz andere Bedeutung als heutzutage
https://www.eropuitinroerdalen.nl/vlodrop/2014/06/15/schmuggel-arrangement-meinweg-einschl-lunch
(Anm. d. Red. 12.04.23: Seite leider nicht mehr online)
Wie das Foto beweist, wird sie in Abschnitten sorgsam bewacht.
Dass die Formalien von Stein und Schranke noch sichtbar sind, ist möglicherweise auf lange Sicht entschuldbar. Es hilft hoffentlich beim europäischen interregional-kulturellen Zusammenwachsen und lockt vielleicht einen Tages Scharen von Touristen an, etwa so, wie das ja auch bei der Berliner Mauer hervorragend klappt
Grenz-Schlagzeilen
Trotz der oben beschriebenen, für uns n o c h so lässigen Normalität der innereuropäisch-formalen Grenz-Abwesenheit schrieb der Journalist Peter Kamps am 16.06.2013 im Dagblad de Limburger (DDL)
… während Ger Essers in DDL am 07.01.2015 titelte
… und der Provinz Limburg lag im Jahr 2007 ein 126seitiges Gutachten vor mit dem Titel:
Es steht übrigens in niederländischer und deutscher Sprache zum Download bereit unter Toekomst_Limburg_2007.pdf (Anm. d. Red. 16.05.19: Datei nur noch via web.archive.org zu erreichen)
Solche Titelzeilen werfen Fragen auf.
Grenz-Wissen
Bitte nicht verwechseln: es gibt „Grenzwissenschaften“, Ufologie beispielweise, Anomalistk oder Parapsychologie, deren Grenzen eher im Verstehen der Menschen allgemein zu suchen sind …
„Wissenschaftliche Grenzen“ sind zunächst die, bei denen man an die Grenzen der Wissenschaft und ihrer Erkenntnismöglichkeiten stößt. Das kann technische Gründe haben oder finanzielle, trifft aber auf unser Thema vermutlich nicht zu.
G r e n z f o r s c h u n g heißt der Begriff zu u n s e r e m Themenkreis.
Der Forschungsgegenstand unserer Wahl
liegt für wissenschaftliche Arbeiten frei zugänglich in der Landschaft,
lässt sich aus den Köpfen der Menschen durch Befragungen und Beobachtungen locken und
lässt sich mit öffentlichen statistischen Zahlen „beifüttern“.
Wir leben in den erforschenswert bewegten Zeiten …
… der formal verschwundenen „offenen“ innereuropäischen Staatengrenzen,
… der vieldiskutierten „ungeschützten“ Außengrenzen der EU
… der Flüchtlingsströme, die von vielen Nicht-Flüchtlingen als Bedrohung angesehen werden
… der vielleicht bald der Vergangenheit angehörenden Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum
… der territorial ungeklärten Grenzen
… der territorial umkämpften Grenzen,
… der lokal verhafteten Grenzen in den Köpfen von Menschen in einer globalisierten Welt
… der verstandesmäßigen und seelischen Grenzen, die immer Angst und neues Konfliktpotential
… bedeuten können…
Ein weites Feld also für weltweite Grenzforschung und ein dringend notwendiges dazu.
Selbst wir, die wir im Grenzland quasi an der Quelle der Erfahrungen leben und glauben, alles darüber zu wissen, haben nicht auch nur annähernd eine Vorstellungen davon, wie allumfassend Grenzen wirken können.
Prof. Dr. Anke Strüver lehrt Sozial- und Wirtschaftsgeographie an der Universität Hamburg
Im Titel ihrer Dissertation betitelt sie unsere spezielle niederländisch-deutsche Grenze als „Boring border“. Als „apolitisch“ wurde sie gegenüber der Autorin bezeichnet (Strüver, Anke, Stories of the `Boring Border`: The Dutch-German Borderscape in People`s Minds. Forum politische Geografie 2; Berlin, Münster, 2005, S. 5), ein Eindruck, der im Buch umfassend korrigiert wird. Zudem wird uns viel Wissenswertes über den Umgang von uns Grenzländern mit dieser unserer Grenze vermittelt.
„Anstatt zu fragen, w o eine Grenze existiert, wird der Frage mehr Bedeutung beigemessen, w i e eine Grenze und ihre Bedeutung verstanden werden und auf welche Weise Grenzen und Identitäten sich gegenseitig beeinflussen.“
(Strüver, Anke; ibid. S. 5)
Wir fragen noch kurz Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Direktor des Instituts für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen (IMP), um auch eine externe Meinung aus der Schweiz einzuholen, einem Land, das eine Sonderstellung in Europa einnimmt
(Rüegg-Stürm, J.: Vorwort der Fachveröffentlichung IMPacts2: Grenzen. Dezember 2011, S. 3.
Lesenswertes Download unter https://www.alexandria.unisg.ch/220984/1/DRUCK_Impacts_02_lowres.pdf)
Grenzforschung als wissenschaftliches Forschungsfeld beschäftigt sich seit Beginn der 90er Jahre stark interdisziplinär mit den Grenzen und ihren Wirkungsgefügen. Sie ahnen es schon, jetzt kommt wieder der Beginn einer Liste, die Sie gern für sich weiterdenken dürfen.
Grenzen erforscht man beispielsweise
geografisch,
politisch,
administrativ,
historisch,
wirtschaftlich,
sprachlich,
kulturell,
soziologisch,
ingenieurwissenschaftlich …
Grenz-Fragen
Und sie fragen sich jetzt, was das alles mit dieser netten, leicht grünen Grenze zwischen uns und unseren netten Nachbarn im Land des hemelse modder zu tun haben soll? Die mit dem Backfischessen beim samstäglichen „Hollandeinkauf“ gleich nebenan?
Dann googeln Sie bitte mal Bilder zum Stichwort „Grenzanlagen“, schauen Sie unserem heimlich fotografierten schwarz-befellten Grenzsteinbewacher beim Dasein zu, gedenken Sie all der Toten, die auf dem Weg über Grenzen starben und Sie empfinden hoffentlich ganz intensiv, was für ein Luxus und Lebensreichtum unsere niederländisch/limburgisch-deutsche Grenze für uns ist.
Heutzutage.
Dann folgen Sie mal diesem Link:
http://www.annefrank.org/de/Subsites/Zeitleiste-/Zweiter-Weltkrieg-1939-1945/Die-deutsche-Invasion/1940/KARTE-DE–Deutschland-greift-die-Niederlande-Belgien-und-Frankreich-an1/#
und überlegen, ob auch Sie so nachbarschaftlich tolerant wären gegenüber denen, deren Vorfahren vor nicht wirklich langer Zeit Ihre Staatsgrenzen verletzten und dann Leid, Unheil, Zerstörung und Tod brachten.
Sehen Sie, genau deshalb gibt es unsere Webseite! Weil nichts so selbstverständlich ist in unserer Beziehung zu unseren Nachbarn, wie „shoppen“, „Outlet“, „Tulpen“ und „Käse“ uns das vorgaukeln wollen…
Grenz-Gefühle
Die ersten prägenden Grenzerfahrungen machen Menschen natürlich wesentlich früher. Sie sind sehr individuell, sie betreffen nämlich den eigenen Körper und das, was Soziologen „Distanzzonen“ nennen. Bei uns in Mitteleuropa ist das:
die intime Zone um unsere Körper herum bis zu einem Abstand von ca. 50 cm;
die persönliche Zone von 50 cm bis etwa 150 cm Abstand,
die gesellschaftliche Zone von 150 cm bis ca. 360 cm Abstand und darüber hinaus
die öffentliche Zone … https://de.wikipedia.org/wiki/Nonverbale_Kommunikation#Distanzzonen
Verletzungen solcher „Zonen“ oder „Grenzbereiche“ können bereits zu Katastrophen führen, weil instinktive gefühlsmäßige Abwehrreaktionen erfolgen.
Man kann sich vorstellen, dass aus diesen sensiblen ersten Grenzziehungen ein jeweils ganz persönliches Grundverständnis von Grenzen entsteht und dieses instinktiv immerzu mitinterpretiert, wenn es um Einschätzungen zum unendlichen Formenreichtum von Grenzen in der Welt geht …
Gedanken und Grenzen beispielsweise?
Gedankenfreiheit beispielsweise?
Sind die oft besungenen „freien Gedanken“ (https://www.youtube.com/watch?v=cVCdKVqKblA) auch gleichzeitig grenzenlos? Wie steht es dann mit kulturellen Grenzen, mit religiösen, weltanschaulichen, sprachlichen und sind die Grenzanlagen, die Sie eben er-googelt haben, Ausdruck kultureller, historischer, sozialer oder ideologischer Gedankenfreiheiten – oder von Ingenieurskunst, von Menschenverachtung, Machtlosigkeit, Hilflosigkeit…?
Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen
Wir wissen jetzt, dass man dieses japanische Sprichwort als eine trostreiche Aussage verstehen kann, dass es andererseits aber Probleme ausblenden könnte oder je nach Situation genau so vieldeutig verstanden werden kann, wie jede Grenze im menschlichen Leben.
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