Vlaaien – Puntje op de i en Limburgse Vlaai
Vlaai – eine europäische Aufgabe … weil regionale Spezialität
Im Januar 2016 schrieb Jan Hensels im Dagblad De Limburger einen Artikel unter der Schlagzeile Echte Limburgse vlaai ligt zwaar op de maag
Glücklicherweise bewahrheiteten sich unsere Befürchtungen nicht, die Zutaten könnten zu Unverdaulichkeit und damit zum Ende dieser leckeren Gebäcksorte beitragen. Unglücklicherweise brachte die Lektüre aber neue Sorgen:
Zitiert wird ein Bäcker prämierter vlaaien: „Ein Tourist, der im Supermarkt für ein paar Euro einen klebenden vlaai kauft, denk, dass er einen echten Limburgse vlaai in Händen hält. Was muss der wohl denken. Ein echter Limburgse vlaai ist keine tiefgefrorene, acht Tage alte Scheibe und auch kein Produkt, das tagelang in der Kühlvitrine liegt“, sagt Bäcker und Konditor Paul Hagedorn aus Hoensbroek.
Wir haben natürlich sofort in die nächstliegende Kühlvitrine geschaut und nicht ganz verstanden, was er an diesen Leckereien kritisiert.
Aber natürlich wollten wir wissen, was uns bisher offenbar nicht bekannt war und lasen von dem himmelweiten Unterschied in der Qualität der handwerklich gebackenen im Gegensatz zu industriell produzierten vlaaien, die sich aber im Moment noch Limburgse vlaai nennen dürfen. Auf unserem Foto sieht man rechts unten auf den Kartons den Umriss der Provinz Limburg, was wie ein Gütesiegel wirkt, offenbar aber keines ist.
Über das Wort lekker haben wir ja schon berichtet www.hemelse-modder.de/limburgs-dialekte-lekker-lebendig. Wir haben also eine ungefähre Vorstellung von den vielfältigen möglichen Bedeutungen von Lekker Limburgs …
Für gut ausgebildete, erfahrene und auf ihre Handwerkskunst mit Recht stolze Bäcker und Konditoren hat der Unwille über diese „klebrigen“ vlaaien eine vielschichtige Bedeutung.
Wir beginnen mal mit den tiefliegenden:
Limburgse vlaai, also der wirklich echte Limburgse vlaai steht für eine jahrhundertealte Tradition. Das sollten wir vergleichen können mit bekannten französischen Käsesorten, mit Champagner, italienischen Schinkensorten, Oliven aus bestimmten Regionen, Weinanbau … eben mit allem, was in traditionell guter Qualität jahrhundertelang Bestand hatte, ehe es die Lebensmittelindustrie für ihre Produktions-, Transport- und Lagerprozesse passend machte.
Dieser hier ist ein halber kruisbessen vlaai – Stachelbeer-vlaai – mit Baiser-Schaum in einer Kühlvitrine
Der Hersteller ist übrigens ein Bäckerei-Betrieb mit mehreren Verkaufsstellen in Midden-Limburg.
Und allen fällt ein, dass nach langer Lernphase selbst die Europäische Union regionalen Spezialitäten einen besonderen Status einräumt (statt, wie früher geschehen, Höhlenkäse-Bakterien zu befehlen, sie sollten künftig nur noch EU-hygienekonform in gefliesten Räumen ihren speziellen Geschmack entwickeln).
Um genau diesen Schutzstatus, den Regionale Produkte durch die EU erhalten können, geht es in dem Artikel. Und genau die dazu nötigen Vorarbeiten und Gespräche liegen denen im Magen, die echten Limburgse vlaai in die passende Antragsform bringen wollen und müssen.
Besonders wichtig ist nämlich, die charakteristischen Eigenschaften der Zutaten / Herstellprozesse / Lagerungen / Verpackungen usw. zu benennen, die die Alleinstellung des Produktes beschreiben und damit die Einhaltung dieser individuellen Qualitätsnorm überprüfbar machen.
Im Jahr 2016 war dieser Findungsprozess bereits seit einem Jahr im Gang, so der Artikel. Gegenwind lag in folgender Formulierung „Wanneer Limburgse vlaai als EU-streekproduct geregistreerd staat en daarmee Europese bescherming geniet, kann de naam Limburgse vlaai alleen door ondernemers gebruikt worden die voldoen aan de voorwaarden die aan de bescherming zijn gekoppeld. Die ervaring leert dat het meerendeel van de ondernemers – en met name de groothandels – hiertoe niet bereid zijn. Men verwacht de nodige weerstand tegen de EU-registratie die het gehele process zal frustreren“, stelt een woordvoerder van de provincie vast.
„Wenn Limburgse vlaai als EU-Regionalprodukt registriert ist und damit europäischen Schutz genießt, kann der Name Limburgse vlaai nur noch von den Unternehmern genutzt werden, die den Qualitätsvorgaben entsprechen, die an den Schutz gekoppelt sind. Die Erfahrung lehrt, dass die Mehrzahl der Unternehmer – und besonders der Großhandel – dazu nicht bereit sind. Man erwartet den erforderlichen Widerstand gegen eine EU-Registrierung, die den Gesamtablauf behindern werden“, stellt ein Sprecher der Provinz fest.
Sie ahnen es? In den Niederlanden, in denen regionale Charakteristika gefördert werden, so dass Geld für identitätsstiftende Vorgänge verfügbar ist, gibt eine solche Aussage aus der Provinzregierung nicht gerade die nötige Unterstützung.
Wir zählen mal die Steine auf, die laut Artikel im Weg liegen:
-> Eine Qualitätsnorm verursacht generell Preiserhöhungen beim Endprodukt
-> Dürfen nur bestimmte Zutaten verwendet werden oder nur eine bestimmte Herstellmethode, wird auch das den Preis erhöhen.
-> Darf beispielsweise ein Betrieb aus der Provinz Friesland das Produkt als Limburgse vlaai herstellen und vertreiben, ohne in der Provinz Limburg zu produzieren?
-> Öffentliche Kritik findet nicht statt, der Widerstand gegen die Pläne vollzieht sich im Stillen
-> Weil die Qualitätsnormen noch nicht aufgestellt sind und weil man nicht weiß, was der Schutzstatus in der Praxis bedeutet, geht unter den Herstellern eine allgemeine Angst um (koudwatersvrees in de barrerkswereld – Kaltwasserangst in der Bäckerwelt)
-> Dürfen weiter ausländische Zutaten (z.B. italienische Äpfel in Dosen) verwendet werden?
-> Ein solcher Schutzstatus ist nicht möglich ohne Zustimmung/Unterstützung der regionalen Politik/der Provinz, des Wirtschaftsministeriums …
-> Letzteres hat, um geringere Widerstandsfläche zu bieten, die Produktbezeichnung Limburgse vlaai empfohlen
-> Eine erste brainstorm-Sitzung ergab, dass vielleicht die Bezeichnung Limburgse fruitvlaai oder Limburgse kruisbessenvlaai -Limburger Obstfladen oder Limburger Stachelbeerfladen . größerer Chancen haben könnten…
-> die Provinz will sich auf die Getreidesorte für den Boden nicht festlegen lassen
-> in einer Studie soll man herausfinden, welcher der europäische Schutzstatus-Niveaus denn am geeignetsten sei, immerhin gibt es drei Niveaus.
-> dann muss man sich mit den Bäckern, den Obstbauern und der Provinz zusammensetzen…
Wir haben uns also schlau gemacht und präsentieren Ihne die drei Herkunftsbezeichnungen der EU, zunächst in Niederländisch:
www.eu-streekproducten.nl/content/soorten-europese-bescherming (Anm. d. Red. 23.11.23: Bericht nur noch via web.archive.org zu erreichen.)
Und so heißen diese Herkunftsbezeichnungen in Deutsch:
- Geschützte geografische Angabe (g. g. A.): enge Verbindung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel mit dem Herkunftsgebiet. Mindestens eine der Produktionsstufen – also Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung – wird im Herkunftsgebiet durchlaufen.
- Geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.): Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Erzeugnisses erfolgt in einem bestimmten geografischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren.
- Garantiert traditionelle Spezialität (g. t. S.): traditionelle Zusammensetzung des Erzeugnisses oder traditionelles Herstellungs- und/oder Verarbeitungsverfahren. jb
Wir nutzen den Vorteil der inzwischen vergangenen Jahre, verraten, dass seit Februar 2022 wieder über den Schutzstatus berichtet wird – und werfen in diesem Zusammenhang einen Blick in eine Publikation des Rijksdienst voor Ondernemend Nederland (rvo.nl) – nationaler Dienst für Unternehmen in den Niederlanden.
https://www.rvo.nl/onderwerpen/marktordening/bescherming-streekproducten/europese-bescherming-streekproducten
Dort fanden wir zum Download die Produktbeschreibung zum Limburgse vlaai im Rahmen eines Antrags für die Herkunftsbezeichnung BGA – Beschermde Geografische Aanduiding (= Geschützte geografische Angabe = g.g.A):
https://www.rvo.nl/sites/default/files/2022-10/Productdossier-BGA-Limburgse-vlaai.pdf
Wir legen Ihnen die Blätter mal hin ;0)) :
Der Antrag wurde gemeinsam eingereicht von
Nederlandse Brood- en banketbakkers Ondernemersvereniging (NBOV) im niederländischen Gouda und Koninklijk Provinciaal Verbond der Brood- en Banketbakkers, Suikerbakkers en Ijsbereiders van Limburg vzw im belgischen Hasselt
Dem Dossier zufolge gibt es 3 Sorten vlaai :
Open vlaai | das ist nicht gedeckter Fladenkuchen |
Kruimels-,strooisel vlaai | bedeckt die Füllung mit Krümeln oder Streuseln |
Reep-, raster- of deksel vlaai | das ist gedeckter Fladenkuchen mit Riemchen, einem Raster oder einem Teigdeckel |
Die Größen werden angegeben mit einem Durchmesser von 10 cm oder 22 cm oder 24 cm oder 26 cm oder 28/30 cm. In einer Tabelle kann man ablesen, dass der kleinste offene Fladenkuchen mindestens 140 g wiegen muss und der größte Riemchen-Fladenkuchen mindestens 1.400 g – jeweils nach dem Backen.
Die Zutaten: Per 1 kg Mehl |
|
300g Fett | (Butter und/oder Margarine |
350 g Flüssigkeit | (Milch und/oder Wasser) |
50 g Zucker | |
30 g Hefe | (oder Äquivalent lösliche/trockene Hefe) |
Maximal 20 g Salz | |
1 Ei | kann optional zugefügt werden |
Die Füllung wird ebenfalls genauer beschrieben, das können Sie sich gern selbst erlesen …
Unter Punkt 2.2.5 heißt es dann: Obwohl der Fladen reich gefüllt ist, ist der Boden fest genug, um das Tortenstück aus der Hand zu essen.
Das geografische Gebiet umfasst die aneinandergrenzenden belgische Provinz Limburg und die niederländische Provinz Limburg. Bedenkt man, dass Limburgse vlaai in den ganzen Niederlanden und auch in Belgien sehr beliebt ist, nimmt sich das künftige Herstellungsgebiet recht klein aus …
Quelle: DNA-project van de Benelux-regio’s, www.eupedia.com, aufgerufen: 30.05.22
Anm. d. Red. 02.04.23: Quellenangabe aktualisiert
Hersteller müssen einen Ursprungsnachweis liefern, der von belgischen und niederländischen Kontrollorganen überwacht wird. Dazu müssen die Bäcker eine Backliste führen, in der täglich notiert wird, wieviel Teig produziert wurde, und welche vlaaien daraus gebacken wurden. Der Teig darf vor dem Backen tiefgekühlt sein, dann muss das Herstelldatum darauf vermerkt sein.
Die Herstellweise wird beschrieben. Nach den 14 Produktionsschritten steht vermeldet, dass Limburgse vlaai ein tagesfrisches Produkt ist, für den unmittelbaren Verkauf verpackt werden kann gemäß belgischen und niederländischen Gesetzen, und dass er nach dem Backen nicht tiefgefroren werden darf.
Abschließend wird das lokale know-how beschrieben und genau hier verlassen wir das Dossier und kommen zurück auf die schon appetitlich zum Abkühlen auf dem Backstubentisch abgelegten vlaaien im Freilichtmuseum Nonke Buusjke in Schinveld.
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