Im echten Leben führt die niederländisch/limburgisch-deutsche Grenze an der Ostflanke des Vaalserbergs entlang. Das Plateau mit nördlicher und nordwestlicher Flanke ist vornehmlich niederländisches Territorium, der kleinere südliche Teil des Plateaus mit den verbleibenden Flanken gehört zu Belgien. Der Berg liegt eigentlich längsgestreckt in NNW-SSO Richtung. Der Plan https://www.drielandenpunt.nl/dagje-drielandenpunt/plattegrond/ (Anm. d. Red. 26.10.23: Seite vom Betreiber aktualisiert – alternativ: https://web.archive.org/web/20161030112854/http://www.drielandenpunt.nl/dagje-drielandenpunt/plattegrond/) ist allerdings für die bessere Lesbarkeit so gedreht, dass Norden auf der rechten Seite liegt.

Der Platz ist gut gewählt und lockt mit touristischen Attraktionen. Das bedeutet, dass Sie alles Touristische gern und reichhaltig in deutscher Sprache nachlesen können. Bei uns leider nicht, denn es gehört nicht zu unserem Thema. Auch Grenzstein-Bilder mit und ohne Fahnen finden Sie in reichlicher Auswahl. Unter https://www.drielandenpunt.nl/ und http://www.drielandenpunt.be/ (Anm. d. Red. 23.01.24: Die Länder-Domain „be“ ist nicht mehr online) gibt’s weitere Informationen aus Sicht und in den Sprachen unserer Nachbarn.

Am Drielandenpunt stoßen zusammen:

Aber das war vor 200 Jahren natürlich alles ganz anders:

Während der Neuaufteilung Europas beim Wiener Kongress saßen für diese Grenzziehung die Vertreter des Vereinigten Königreichs der Niederlande und Preußens am Verhandlungstisch https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bund. Über das Eigentum an einem Zink-Vorkommen konnte man sich nicht einigen. Deshalb wurde das Territorium um diese Mine herum mit seinen damals 256 Bewohnern für neutral erklärt und Neutraal Moresnet – Neutral Moresnet genannt.

Danach gab es im Jahr 1830 die belgische Revolution und schließlich das Königreich Belgien dessen Grenzverlauf erst nach Säbelrasseln und nach langen Verhandlungen im Jahr 1843 konkret markiert wurde. http://hemelse-modder.de/grenzen-und-limburg/3/ Damit verlor das vereinigte Königreich der Niederlande bedeutendes Territorium.
Preußen als Teil des Deutschen Bundes ging auf im deutschen Kaiserreich, das 1914 seinen Zugriff auf Neutral Moresnet mit einer Invasion erzwang.
Damit haben wir die vier „historischen Erfinder“ des Viergrenzenweg beisammen.

Nach dem 1. Weltkrieg, wurde das Gebiet im Versailler Vertrag 1919 dem Königreich Belgien zugesprochen, es umfasst die heutige Gemeinde La Calamine/Kelmis. Ein puntje ist ein Tortenstückchen und stropdas heißt Krawatte. Wie auch immer: ganz eindeutig waren damals die Grenzzieher mit dem Lineal unterwegs. Dass das nicht gut gehen kann, wissen wir ja von anderen Beispielen http://hemelse-modder.de/grenzen-und-limburg/5/. Östlich der Ostgrenze von Neutral Moresnet liegen die Gebiete, die damals zur preußischen Rheinprovinz gehörten. Sie wurden gemäß Versailler Vertrag ebenfalls Eigentum Belgiens und steuern die dritte belgische Landessprache bei: Deutsch.

1. Niederlande (Grenzverlauf von 1830), Provinz Limburg 2. Belgien (Grenzverlauf von 1830) Provinz Lüttich
3. Neutral-Moresnet (1816–1919) 4. Preußen, Rheinprovinz a. Niederländisch-belgische Grenze (1843) b. Straße Aachen–Lüttich c. Heutige deutsch-belgische Grenze (1919)

Quelle: Arjan de Weerd – The map was hand-drawn by Arjan de Weerd, who releases it into the public domain, provided he is credited whenever the image is (re)used. (Moresnet.png),

Diese Karte und mehr finden Sie unter https://de.wikipedia.org/wiki/Neutral-Moresnet.
Was sich wie ein politisches Schachspiel liest, zeigte sich im echten Leben als Aufstieg zu ungeahnter Größe, dann als Absturz aus einer Goldgräberstimmung in grausame Kriegshandlungen. Um Menschen daran zu hindern, das besetzte Belgien zu verlassen, zogen kaiserliche Grenzanlagenbauer einen Zaun entlang der Grenze und setzten ihn unter Hochspannung. Die ahnungslosen Flüchtenden verbrannten bei lebendigem Leib. Historiker vermuten, dass am Elektrozaun zwischen den Trois Bornes – Dreiländerpunkt und der belgischen Küste zwischen 2.000 und 3.000 Menschen starben. https://www.zeit.de/1998/17/Der_grosse_Zaun/komplettansicht (Anm. d. Red. 05.03.24: Bericht ist nur noch auf web.archive.org frei verfügbar. Bei www.zeit.de ist eine Registrierung erforderlich.)
https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzhochspannungshindernis
Weil eigentlich der „Erbfeind“ Frankreich niedergemacht werden sollte, waren diese und andere Grausamkeiten in Belgien sowas wie „Kollateralschäden. Unvorstellbar! Das lesen Sie bitte weiter unter https://de.wikipedia.org/wiki/Schlieffen-Plan Gegen Frankreich setzte das kaiserliche Deutschland dann Giftgas ein. Jeder Quadratmeter, über den wir uns an den Grenzen bewegen, erzählt Unfassbares aus der deutschen Vergangenheit. Was für ein kostbares Geschenk unserer Nachbarn und der europäischen Staatengemeinschaft ist es doch, dass diese Grenzen für uns heute nur einladende „0 cm hoch“ sind.

Wenn Sie eine Vorstellung von dem Leid bekommen wollen, dass das Kaiserreich über seine belgischen Nachbarn brachte, dann lesen Sie bitte mehr dazu auf der Webseite der Autonomen Hochschule in der deutschsprachigen “ Gemeinschaft Belgiens: http://www.grenzgeschichte.eu/

Während wir diesen Bericht schreiben, jährt sich der Gründungstag von Neutral-Moresnet zum 200. Mal.

Beiträge dazu fanden wir in den Ausgaben der Aachener Nachrichten/Aachener Volkszeitung (AN/AVZ) vom 11. und 18. Juni 2016

Wir folgten außerdem diesem Link zu den Feiern
https://ostbelgiendirekt.be/200-jahre-neutral-moresnet-kelmis-feiert-seinen-einstigen-zwergstaat-101646

und lasen dazu Beiträge im Dagblad de Limburger (DDL) mit Bezug zu zwei aktuellen Büchern:

Unsere Grenzsuche führt durch ein Gebiet, das sich schon seit den Zeiten der alten Römer und der Völkerwanderung in ein kulturelles Spannungsfeld verwandelte:

Beim Untergang des römischen Reiches um das 5. Jahrhundert zog sich vor allem die romanisierte Bevölkerung (vermutlich besonders die oberen Gesellschaftsschichten) in Gebiete der heutigen Wallonie und Nordfrankreichs zurück. Dort waren sie vor den von jenseits des Limes eindringenden Germanenstämmen in Sicherheit. So entstand, was uns heute als romanisch-germanische Sprachgrenze bekannt und seit 1962 offizieller Bestandteil belgischer Bevölkerungspolitik ist. Die dazu gehörigen kulturellen Unterschiede sind bis heute spürbar, bereichernd und leider gleichzeitig auch so konfliktbeladen. https://nl.wikipedia.org/wiki/Taalgrens_in_Belgi%C3%AB

Einer dieser Konflikte führte zur bereits erwähnten belgischen Revolution des Jahres 1830. Das Vereinigte Königreich der Niederlande hatte beim Wiener Kongress Territorien erhalten, deren Bewohner mit dieser neuen Herrschaft nicht einverstanden waren. Die neuen südlichen Provinzen und vor allem die politisch, sprachlich und kulturell nach Frankreich orientierte Kreise, protestierten gegen die Politik der protestantischen Staatsmacht, die in der Hand der nördlichen Provinzen lag und den Süden vielseitig benachteilige. https://de.wikipedia.org/wiki/Belgische_Revolution Auch Teile des katholischen Limburgs gingen ins Königreich Belgien ein, wobei neben calvinistisch-katholischen Abneigungen auch die unterschiedlichen Vorstellungen von den Werten der französischen Revolution in die Waagschale fielen.

Auf dem Weg durch das Land der unsichtbaren Staats-Grenzen, finden wir diese kulturellen Grenzen in den Beschilderungen wieder und hörbar in der Sprache der Menschen: Ob eine Gemeinde Wallonisch oder Flämisch geführt wird, hängt an der anteiligen Anzahl der Einwohner je Bevölkerungsgruppe. Das liest sich, wie wir zeigen werden, am sichtbarsten an den Ortsnamen ab:

Beim Abschied vom Drielandenpunt scheint es uns, dass sein doolhof – ein Labyrinth ein passendes Sinnbild ist für dieses historisch-kulturell-politische Spannungsfeld in und um das Land des hemelse modder. Es existiert seit 1992, das nicht ganz unpolitische, aus Hecken gepflanzte Labyrinth. Es bildet eine komplizierte Komposition aus belgischem Löwen, niederländischem Löwen und deutschem Adler. Sie können diese Figuren gern wie in einem Suchrätsel suchen: http://arthur.van-dam.net/2005/08/het-spoor-bijster_25

Um diese Nationalsymbole herum und durch sie hindurch muss man, so heißt es, etwa eine Stunde lang seinen Weg ins Zentrum suchen. Eine „symbolische Handlung“ könnte man sagen.

Das ist – gemessen an Limburgs langer Geschichte – eine wirklich sehr kurze Zeit.

Die beachtliche Größe des doolhofs von 6.500 qm ist der intellektuellen Aufgabe und der einigenden Bedeutung angemessen.

Es ist – gemessen an einem Grenz p u n k t – ein beachtlich großes Areal.

Aber es ist eine Winzigkeit,

gemessen an all den Territorien, die historisch jemals Teil Limburgs gewesen sind.